
Wundersame Wandlung: Vom weißen Fleck auf der Tourenkarte zum familienfreundlichen Paradies für Touren-und Freizeitradler.
Entspannt radeln im Bergischen? – Das geht! Der Umbau alter Bahntrassen zu kombinierten Rad- und Wanderwegen und Skaterstrecken macht’s möglich. Heute gilt die Region mit ihrem 300 Kilometer langen Radwegenetz als Eldorado für Freizeit- und Tourenradler
Bergisches Land – Frank, Pauline, Manfred und Petra (sie wollen nur beim Vornamen genannt werden) sind bester Dinge. Es ist Sonntag. Die Sonne lacht. Kein Wölkchen am azurblauen Himmel. Es ist warm und das Bergische Land zeigt seine Schokoladenseite. Die vier Leverkusener sind mit ihren Rädern auf der Balkantrasse unterwegs. Die Strecke auf der ehemaligen Bahntrasse fällt in Richtung Opladen leicht ab. Die Räder rollen wie von selbst über den gut drei Meter breiten kombinierten Rad-Wanderweg. Radler-Herz, was willst du mehr!
Entspannt radeln im Bergischen – das galt bis vor gut eineinhalb Jahrzehnten noch als Ding der Unmöglichkeit. Der Grund: die hügelige, teils bergige Landschaft. Sie gilt als wenig radfahr-freundlich. Selbst sportlich ambitionierte Radfahrer geraten aufgrund des ständigen Auf und Ab an ihre Leistungsgrenzen. Hartgesottenen Radprofis nötigt das Bergische beim alljährlichen Radklassiker „Rund und Köln“ nicht nur alle Kräfte, sondern ebenso jede Menge Respekt ab. – Rund um Köln
Freizeitspaß Nr. 1
Dennoch: Genussradeln ist möglich. Für viele Bergischen ist es zwischenzeitlich sogar zum Freizeitspaß Nr. 1 geworden, mit dem Drahtesel Bergische unterwegs zu sein. Möglich machen dies die auf alten Bahntrassen angelegten Rad- und Wanderwege in der Region. Ihr Markenzeichen: Sie verlaufen wegen ihrer vor gut 150 Jahren angelegten Streckenführung größtenteils eben und ohne Steigungen; sie bieten dem Radler aufgrund der Höhe der alten Bahndämme während der Fahrt zudem eindrucksvolle Ausblicke ins satte Grün der bergischen Landschaft.
Flach wie Holland
Die Radwege sind nicht nur flach wie Holland; sie fühlen sich für den Radler auch so an. „Radler-Herz, was willst Du mehr“, denkt sich denn auch Frank, als die vier Leverkuser bei Bergisch Born von der Balkan-Trasse auf den Alleen-Rad- und Wanderweg „Wasserquinett“ Richtung Hückeswagen abbiegen.
Mit dem Schienenbus durchs Bergische
„Ja, ja, der Balkan- Express“, sagt Frank. Als Kind sei er mit diesem Zug oft von Opladen aus zu seinen Großeltern nach Remscheid-Lennep gefahren. Die Strecke sei ausgefahren und holprig gewesen. Der rote Schienenbus habe ständig gewackelt und gedroht, aus den Schienen zu springen. Zudem sei es durch den dröhnenden Motor ziemlich laut im Inneren des Triebwagens, dem sogenannten VT 67 – so die Typenbezeichnung – gewesen. „Trotzdem haben wir es geliebt, mit dem Schienenbus durchs Bergische zu rattern“, schwelgt der Tourenradler aus der Bayerstadt in Kindheitserinnerung.

Der Balkan lässt grüßen
Die Balkantrasse folgt der ehemaligen Bahnstrecke zwischen den einstigen Kreisstädten und heutigen Stadtteilen Remscheids und Leverkusens, Lennep und Opladen. Über 28 Kilometer zieht sich der Rad-Wanderweg über Bergisch Born, Wermelskirchen und Burscheid bis nach Opladen, wo er am Rande der Innenstadt endet. Aus Richtung Opladen in Richtung Remscheid ist das zuletzt fertiggestellte Teilstück aus dem Rhein-Tal hinauf nach Burscheid-Kückenberg das mit der einzigen Steigung, denn von Burscheid nach Remscheid-Lennep ist das Streckenprofil nahezu eben.
Ihren Namen trägt die Trasse, weil auf ihr bzw. dem vorherigen Schienenweg der Balkan-Express gefahren ist, ein roter Schienenbus des Typs VT 67. Die einstige Bahnlinie hat auf ihrer Route aus dem Rheintal hinauf auf die bergischen Höhen größtenteils ländliches, dünn besiedeltes Gebiet passiert, was ihr im Volksmund ihren Namen eingebracht gehabt hat. Mit ihren 28 Kilometern ist sie die zweitlängste Strecke im bergischen Trassenverbund.
Quintett bergischer Talsperren
Wasserquintett – der Name des Radweges kommt nicht von ungefähr, passiert er doch auf seinem Weg von Bergisch Born über Hückeswagen und Wipperfürth sowie Ohl und Gogarten nach Marienheide fünf Talsperren – nämlich die Wupper- und Bever-Talsperre bei Hückeswagen, die Neye-Talsperre zwischen Hückeswagen und Wipperfürth sowie die Lingense und die Brucher-Talsperre bei Marienheide. Auch der Rad-Wanderweg „Wasserquintett“, der bei Bergisch Born von der Balkantrasse abzweigt, verläuft auf der Trasse einer ehemaligen Bahnstrecke – nämlich der von Remscheid-Lennep nach Marienheide. Mit 28, 5 Kilometern ist der fast durchgehend ebene und kreuzungsfreie Radweg der Längste im bergischen Panorama-Radwege-Netz.
Die Entfernungen und das Streckenprofil zu den Talsperren sind unterschiedlich, dennoch: Ein Abstecher lohnt sich – vor allem in den wärmeren Jahreszeiten, denn bis auf die Neye-Talsperre, die der Trinkwasseraufbereitung- und Versorgung dient, sind die künstlichen Seen für Wassersport vom Segeln, Schwimmen und Rudern über Paddeln und Kanufahren bis hin zum Angeln freigegeben. Wer übrigens zum Ausgangspunkt der Tour nicht zurück radeln möchte, ab Bahnhof Marienheide verkehrt ein Trassen-Bus Richtung Städtedreieck. Die Räder werden sozusagen Huckepack mit genommen.
Sambatrasse Wuppertal Bahnhof Küllenhahn – Foto D. Wüstenhagen Bahntrasse bei Bergisch Born – Foto D. Wüstenhagen Sambatrasse – Start Cronenberg – Foto D.Wüstenhagen Trasse des Werkzeugs Vieringhausen – Foto D. Wüstenhagen
Dreierpack im Städtedreieck
Eben und flach: Dies gilt auch für die drei Ur- Bahntrassen-Radwege im Bergischen: Sie sind 2006 im bergischen Städtedreieck mit Mitteln der Regionale, einem Infrastrukturförderungsprogramm des Landes NRW, entstanden:
● die Samba-Trasse auf der elf Kilometer langen Strecke des ehemaligen Samba-Express von Wuppertal-Elberfeld auf die Südhöhen nach Wuppertal-Cronenberg. Der Name Samba-Express geht auf die kurvige, in großen Schleifen serpetinenartig verlaufende Streckenführung Bahnstrecke zurück. Während seiner kurvigen Fahrt durch den Burgholz auf die Wuppertaler Südhöhen sollen die Fahrgäste durch das Ruckeln und Schaukeln des Triebwagens das Rhythmusgefühl eines Sambas verspürt haben. ;
● die Korkenziehertrasse in Solingen auf der einstigen Bahnstrecke zwischen Solingen-Gräfrath und dem Solinger Hauptbahnhof. Ihr Namen erinnert an die gewundene Streckenführung der früheren, hauptsächlich für den Güterverkehr genutzten Bahnlinie durch die Klingenstadt. – Panoramaradwege
● die Trasse des Werkzeugs in Remscheid auf der einstigen Güterverkehrsstrecke zwischen Remscheid Hauptbahnhof und dem Bahnhof Remscheid-Hasten. Der Rad- Wanderweg ist als Präsentationsweg der in Remscheid vertretenen Metallverarbeitung und ihrer Unternehmen konzipiert. Mit vier Kilometern ist er der kürzeste im Trassen-Radwege-Netz. Nicht weit vom Endpunkt im Stadtteil Remscheid-Hasten befindet sich übrigens das Deutsche Werkzeugmuseum. Ein Besuch lohnt sich!
Die Trassen sind in der Bevölkerung der drei bergischen Großstädte auf eine Riesen-Resonanz gestoßen. Regelrechtes Trassenfieber ist ausgebrochen und hält bis heute an. – Remscheid Tourismus – Trasse des Werkzeugs
Nordbahntrasse: Ein Erlebnis für alle Sinne
In Gänze fertiggestellt ist der Jackstaedt-Weg auf der ehemaligen Nordbahntrasse in Wuppertal. Der kombinierte Rad-/Wanderweg, der von der Wuppertal-Bewegung e.V. in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Wuppertal hergerichtet worden ist, verläuft über insgesamt 14 Kilometer auf der, etwas oberhalb, am Hang des Tales der Wupper, gelegenen, einstigen Nordbahnstrecke. Der Weg durchquert die Schwebebahnstadt parallel zur Tal-Achse, vom ehemaligen Bahnhof Wichlinghausen im Osten bis zum Bahnhof Vohwinkel im Westen.
Seinen besonderen Reiz bezieht der Rad-, Wander- und Skater-Weg durch die zahlreichen Viadukte und Brücken, die beim Bau der Bahnstrecke errichtet werden mussten, um die Nebenstrecke zu der im Tal verlaufenen Hauptstrecke überhaupt betreiben zu können. Die Brückenbauwerke eröffnen den Nutzern der Trasse die verschiedensten Ausblicke auf die, beiderseits des Weges gelegenen Wohnquartiere der heimlichen Hauptstadt des Bergischen Landes.
Darüber hinaus dient der Radweg vielen Kindern als sicherer Schulweg und erfüllt somit neben seinem Freizeitwert auch einen rein praktischen Wert für die Tal-Bewohner. Im Netz des Bergischen Panorama-Radwege-Netzes erfüllt der Jackstaedt-Weg eine zentrale Rolle, schließt er doch im Westen, am Bahnhof Vohwinkel, zum einen an die Korkenzieher-Trasse Richtung Solingen via Gräfrath und an das Radwegenetz Richtung Rhein an; und im Osten, am Bahnhof Wichlinghausen, an das Radwegenetz Ruhr.
Ende 2014 ist der Rad-, Wander- und Skater-Weg auf der einstigen Nordbahntrasse eingeweiht worden. Dank gastronomischer Infrastruktur bietet eine Tour auf der einstigen Nordbahnstrecke ein Erlebnis für alle Sinne. – Nordbahntrasse – Wuppertalbewegung
Weitere Links zum Thema
Bahntrassenradeln – Panorama Radwege
KV Wuppertal – Die bergischen Bahntrassen
Outdooractive – Radtouren Bergisches Land
Outdooractive – Radtour Ruhrgebiet
Weiterführende Links zu verwandten Themen
Verlagshaus – Stillgelegte Bahnstrecken im Bergischen Land
Stadtrevue – Unterwegs auf alten Bahntrassen im Bergischen
Titelbild: Schienenbus an der alten Bahntrasse – Foto: D. Wüstenhagen